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Thema: Sind Werte relativ? So Okt 10, 2010 11:38 am
Mich interessiert, was Eure Werte sind, und wie ihr damit umgeht. Will sagen, jede Gemeinschaft, ob es nun zwei Menschen sind, oder wir als Staat, hat ja gewisse Werte definiert - um das Miteinanderleben sozialverträglich zu gestalten. Ich kann diese Werte annehmen, oder auch nicht. Wenn ich für mich einen bestimmten Wert angenommen habe, gehört er zu meinem persönlichen Glaubenssystem, und ich versuche ihn im Umgang mit anderen Menschen zu leben, was mir eine gewisse Integrität verschafft und den Umgang mit anderen Menschen erleichtert. Ich glaube also an diesen Wert. Nun kann ich mein Glaubenssystem durch einen Paradigmenwechsel ändern - dann gilt der vorherige Wert nicht mehr - aber bin ich dann noch integer? Relativ gesehen vermutlich schon, da ich nun einem anderen Wert vertrete. Aber wie wirkt sich das auf die Beziehungen zu meiner Umwelt aus? Dienen Werte nicht auch dazu, eine Gemeinschaft zu stärken, zu verbinden, ja überhaupt erst zu ermöglichen? Wie können Menschen miteinander umgehen, wenn Werte relativ sind? Komplexes Thema, vieldiskutiert - wie ist Eure Ansicht dazu?
Licht und so...Mrs.Spirit
Gast Gast
Thema: Re: Sind Werte relativ? So Okt 10, 2010 5:13 pm
Ich würde unterscheiden zwischen primären und sekundären Werten...
Primäre Werte wären für mich, das Leben zu achten, das Recht auf Selbstbestimmung, Gerechtigkeit usw.
Aber schon alleine diese Werte sind strittig, weil sie jeder anders auslegt und andere Prinzipen davon ableitet und sie sich gegenseitig beeinflussen. Z.B. ist der Wert der Selbstbestimmung verletzt, wenn man jemanden aus Gerechtigkeitsgründen ins Gefängnis schmeißt. Oder jemanden aus Notwehr zu verletzen oder zu töten.
Sekundäre Werte wie Ordnung, Ehre, Fleiß, sind für mich Verhandlungssache.
Werte stehen für mich nicht absolut, sondern müssen immer wieder diskutiert, abgewogen und durchdacht werden. Und das gilt im Großen ebenso wie im Kleinen.
Ich erwarte auch nicht, dass jeder mein Wertsystem teilt. Aber keiner soll auch von mir das gleiche erwarten. Das wiederum ist auch wieder eine Wertvorstellung an sich.
Daher stehen Werte für mich insofern nicht absolut, weil sie abgewogen und immer wieder in Frage gestellt werden müssen. Denn sie haben schwerwiegende Konsequenzen.
Das klingt alles recht theoretisch, aber genau genommen gibt es jeden Tag Dutzende von Situationen, wo genau das passiert.
Mrs.Spirit
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Thema: Re: Sind Werte relativ? Mo Okt 11, 2010 7:18 pm
Danke für den aufschlußreichen Beitrag - ich stimme mit Dir überein. Und ich empfinde es so: seine Werte wechselt man nicht alle paar Minuten. Und meine Werte orientieren sich an meinem Inneren. Indem ich meine Werte lebe, übernehme ich auch Verantwortung meinen Mitmenschen gegenüber. Das Vertrauen in die gegenseitige Integrität erschafft eine Gemeinschaft, die allen Beteiligten Wärme, Nähe und Zusammenhalt vermittelt - das bemerke ich immer wieder gerade im Freundes- und Bekanntenkreis. Die Frage ist doch auch, was wollen wir zukünftigen Generationen an Werten vermitteln - wie sollen sie aufwachsen dürfen? Bereits Oswald Sprengler schrieb vor etlichen Jahrzehnten zum Thema Geld und Demokratie: "Endlich erwacht eine tiefe Sehnsucht nach allem, was noch von alten, edlen Traditionen lebt. Man ist der Geldwirtschaft müde bis zum Ekel. Man hofft auf eine Erlösung irgendwoher, auf einen echten Ton von Ehre und Ritterlichkeit." Und wie man sieht, hat sich ja auch Stuttgart21 zu einer Wertedebatte entwickelt, und bedeutet nun weitaus mehr, als nur den Schutz alter Bäume und Verhinderung des Bahnhofneubaus.
Thema: Re: Sind Werte relativ? Di Nov 16, 2010 11:37 am
Einverstanden!
Werte s i n d relativ- zu jedem sinnvollen Wert (Leben, Wahrheit...) wird uns nach einigem Nachdenken eine nicht weniger sinnvolle Ausnahmesituation einfallen, in der wir - schon aus Rücksicht auf unser übriges Wertesystem- dieser Wertvorstellung zuwider handeln sollten, aber keinesfalls sind Werte einfach so austauschbar. Ganz im Gegenteil, es kostet oft Überwindung oder schmerzt, wesentlichen Werten zuwiderzuhandeln- und das ist gut so, dadurch merken wir wenigstens, was wir jeweils gerade tun. Ich persönlich will, dass das in meinem Leben so bleibt.
Auch für die Auswahl meiner Freunde sind für mich verbindende gemeinsame Wertvorstellungen entscheidend.